Das Pötzleinsdorfer Schloss
Eine Gruppe Jugendlicher unterhält sich lachend im Vorhof. Einige Autos stehen herum, zwei Lehrkräfte kommen diskutierend aus dem historischen Ausgang. Ganz normaler Schulalltag –und doch etwas Besonderes. Das wunderschöne historische Ambiente mit prachtvollem Garten. In Stein gemeißelte Nachbildungen römischer Götter zieren die begrenzende Steinmauer. Doch wie ist es dazu gekommen? Im Gebiet des heutigen Währing lassen sich, im Gegensatz zur weiteren Umgebung, keine archäologischen Funde aus der Römerzeit nachweisen. Es ist wohl anzunehmen, dass im 1. Jahrtausend das Gebiet eher einem Urwald glich. Nach Zusammenbruch des Römischen Reiches und der Zeit der Völkerwandung begann um 1000 wieder eine ruhigere Entwicklung der „marca orientalis“ bzw. von „ostarrichi“. Als Anreiz zur (Neu)Besiedlung entfielen Abgaben- und Kriegsdienst, auch der Adel durfte nun Burgen und Schanzen errichten1. Die Gründung eines Zeilendorfes am Währinger Bach geht wohl bereits auf die Zeit vor 11002 zurück.
Die erste urkundliche Erwähnung findet sich 11123. In diesem Vertrag schenkte der Bischof von Passau ein „dimidium mansum ad pezelinesdorf“, also einen halben Gutsbesitz, dem Kanonikatsstift St. Georgen. Da der Zins zu den fränkischen Heiligentagen zu entrichten war, liegt die Überlegung nahe, dass das Dorf ursprünglich eine fränkische Niederlassung war1. Der Name „Becelin“ scheint überdies vielfach in mittelalterlichen Urkunden der Universität in Göttingen und in den Regesten Historiae Westfaliae auf 4.
In Pötzleinsdorfer Urkunden wird auffallend häufig ein
Starkfried von Pezelinendorf genannt, der als Zeuge in
Verträgen zu entdecken ist. Den diversen Dokumenten
ist zu entnehmen, dass immer wieder Verkäufe und Verpfändungen
stattgefunden haben, die Burgherren also
Schulden abtragen mussten, die aus Kriegsleistungen
entstanden sein können. Später werden die „Becelinen“
nur mehr als „Bergmeister“ (Beamte) genannt5. Nach
Aussterben dieses Geschlechts entwickelte sich aus der
Burg ein „Freihof“-6, d.h. er unterlag nicht der dörflichen
Gerichtsbarkeit.
Eine chronologische Entwicklung mithilfe von mittelalterlichen Urkunden nachzuvollziehen, gestaltet sich äußerst schwierig. Einerseits war die Schreibweise eines Ortes zu dieser Zeit sehr unterschiedlich, andererseits ist auch die Feststellung der genauen Örtlichkeit nicht einfach. Nach der Schenkung von 1112 scheint in der Literatur ein Kaufbrief aus 11415 auf, wonach das Stift St. Peter in Salzburg ein „prediolum (kleiner Hof) ad Alsa et Pecelinestorf“ gekauft haben soll. Auch bereits zu dieser Zeit wurden Verkäufe und Käufe, Schenkungen und Pfändungen präzise und detailgetreu in Verträgen mit Zeugen, ähnlich wie auch heute, beurkundet. Auch Siegel geben Auskunft über Orte und Personen, so auch das Siegel von Stephani de Pezzlesdorf aus dem Jahr 1322, das im Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien aufliegt. In den meisten Urkunden dieser Zeit ist im Wesentlichen von Weingärten die Rede, deren Größe mit Joch oder Tagwerk beschrieben wird. Was die Ortbeschreibungen anlangt, spielen die Bezeichnungen „Becelinstorf“ und, in unterschiedlichen Schreibweisen, „Hagenow“ (auch Hagenau u.Ä.) eine Rolle7. Als Bergherren scheinen auch Namen wie Hohenzollern und Kuenringer auf, die mehrere Rieden in Pötzleinsdorf in der Dürwaring besaßen5. Nach dem Tod des Neuz von Kuenring wechselten die Besitzverhältnisse häufig bis in das 17. Jhdt.
1August Angenetter in „Währing“ Ein Heimatbuch des 18. Wiener Gemeindebezirks, 2. Teil, Wien 1924, Selbstverlag Arbeitsgemeinschaft „Währinger Heimatkunde“, S 296ff. 2Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Wien X bis XIX. und XXI bis XXIII Bezirk, S.458 3www.monasterium.net/mom/AT-StiAHe/HerzogenburgCanReg/1112_VIII_18.3 4www.monasterium.net/mom/search q=becelin&option=and&img=&annotations=&sort=date& categories=&context= 5Helmuth Haas, Geschichte der Dörfer des 18. Bezirks in „Unser Währing“ Vierteljahresschrift des Museumsvereins Währing, 1998/3 Sonderheft, S. 45ff. 6Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Bd. 4, S 586 7digital.wienbibliothek.at/.......Quellen zur Geschichte der Stadt Wien / hrsg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien (früher Altertums-Verein zu Wien). [...]
Zum Verständnis der Entwicklung des Ortes und der Bevölkerung von Pötzleinsdorf dürfen wesentliche Fakten aus dieser Zeit nicht unbeachtet bleiben: Seit dem 14. Jahrhundert wurde Wien immer wieder von der Pest heimgesucht, sicherlich auch Pötzleinsdorf. Daran erinnern diverse Bildstöcke. Im Jahr 1529 fand die einmonatige Belagerung Wiens durch die Türken statt, die aus dem heutigen Ungarn einmarschierten. Pfalzgraf Philipp der Streitbare kam mit seinem Heer aus dem Westen und konnte die Bildung des beabsichtigten Belagerungsrings verhindern. Felix Czeike berichtet von einer Verwüstung Pötzleinsdorfs 1529. Interessant ist, dass der einzige archäologische Fund von 26 Silbermünzen in einem Zinnkrug auf dem Schafberg genau auf dieses Jahr datiert wird8.
1618 begann der 30-jährige Krieg, der auch hier Auswirkungen hatte. 1623 jedenfalls erwarb Johann Anton Pestalutz die Herrschaft von Pötzleinsdorf. Aus dem Jahr 1633 ist eine „Urkunde in Sachen der 7 Untertanen der Burgkapelle zu Pezlsdorf“ bekannt. Bei Restaurierungsarbeiten in der Barockkirche wurde vor wenigen Jahren eine Grabplatte aus dem 15. Jhdt. entdeckt. Es ist daher aufgrund der örtlichen Nähe zur Burg und dem nachmaligen „Freyhof“ der Rückschluss erlaubt, dass schon wesentlich früher eine „Burgkapelle“ bestand. Seine Witwe vermachte das Gut testamentarisch dem Himmelpfortkloster. Interessant erscheint dies, weil durch die detaillierte Beschreibung im (Ver)Kaufvertrag von 16427 an den Domherrn Antonio Leupen von Leupenstein der Bestand des „freien unbelechneten edelmann sitz(...)und weingärten“ genau nachvollziehbar ist. Erwähnt wird auch „…eingefangen brunen…“, der sogar noch bestehen könnte (s.Foto).
1683 wurde durch den 2. Türkenkrieg Pötzleinsdorf vernichtet, darunter die Kapelle. Bald wurde eine neue, dem Hl. Ägydius geweiht, errichtet, die aber nur ein „Notbau“ gewesen sein dürfte1. Am 1. März 1750 kam es zu einem riesigen Brand in Pötzleinsdorf, bei dem von 32 Häusern 31 vernichtet wurden1. Ein einziges blieb demnach stehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass davon auch der „Freyhof“ betroffen war. 1750 kam das Anwesen in den Besitz von Obersthofmarschall Johann Graf von Khevenhüller, der es an Fabio Freiherr von Ricci verkaufte. Im „Wienerischen Diarium“, dem Vorläufer der Wiener Zeitung, vom 7.1.175610 erschien ein „Avvertissement“ desselben, in dem er die Errichtung einer Tuchfabrik ankündigte und die Produkte bereits bewarb. Aufgrund des Stiles des bestehenden Gebäudes zusammen mit den geschilderten Umständen, liegt der Rückschluss nahe, dass Ricci das jetzige Haus errichten ließ. Erfolgreich dürfte die Produktion nicht gelaufen sein, da er 1778 bereits wieder verkaufte. Gräfin Herberstein war nur wenige Jahre Besitzerin und verkaufte bereits 1797, vielleicht aufgrund des starken Erdbebens von 1796, an den Bankier Johann Heinrich Geymüller.
Ihm verdankt das Schloss eine umfangreiche Renovierung und den heutigen Charakter.
Sein besonderes Augenmerk hat er auf den Park gelegt, darüber hinaus auch zur Verschönerung des Ortes beigetragen. Verursacht durch seinen überaus verschwenderischen Lebenswandel schlitterte der Bankier 1841 in Konkurs. Der damalige Besitzer der Herrschaft Gersthof ersteigerte Schloss und Park. 1848 wurden die dinglichen Rechte (Befreiung Bauernstand und Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit) aufgehoben, 1855 gab es keine
„Herrschaft“ Pötzleinsdorf mehr. 1892 wurde Währing, wie andere Vororte auch, nach Wien eingemeindet. Nach weiteren Besitzerwechseln von Schloss und Park ging das Eigentum 1937 testamentarisch an die Stadt Wien über, die den Park öffentlich machte. Das Schlossgebäude wurde nach dem 2. Weltkrieg als Jugendgästehaus genützt11. 1980 musste das Jugendgästehaus geschlossen werden12, seit 1982 wird das Schloss vom Rudolf-Steiner-Schulverein gemietet, der die Sanierungen und erforderlichen Adaptierungen für den Schulbetrieb der in sehr schlechtem Zustand befindlichen Gebäude durchgeführt13 und so den Erhalt des Kulturdenkmals möglich gemacht hat. 1983 konnte der Schulbetrieb nach der notwendigen Grund-Renovierung aufgenommen werden11.
8www.wien.gv.at/kulturportal/public/identifyFundpunkt.aspx?id=ARCH.FUNDPKT_
P.3039551&mid=a213fe91-ede7-418d-9e60-5847d3194766&ftype=vienna:ARCH.FUNDPKT_
P&g=1622620f-fed2-4432-83db-5cc8c52163cc&cid=0efdf2a4-bab2-43e3-9a2d-cde5cd5
9www.monasterium.net/mom/search?q=1633&context=AT-HHStA%3B
10www.anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=17560207&seite=11&zoom
11Felix Czeike, Das große Groner Wien Lexikon, Verlag Fritz Molden, S 710
12Christine Klusacek, Kurt Stimmer, „Währing“ Vom Ganserlberg zum Schafberg, Mohl Verlag
13www.waldorfschule-poetzleinsdorf.at/page.php?m=schule--geschichte-und-d
Ingrid Jung-Blaha