Währinger Gemeindebau nach 1945

In der letzten Ausgabe unseres „Dörf’l-Kuriers“ im Sommer haben wir über einige Gemeindebauten der 1. Republik berichtet. Im Bürgerkrieg 1934 zogen sich viele „Schutzbündler“ dahin zurück. Es kam zu zahlreichen Kämpfen. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurden zwar große Versprechen gemacht, de facto aber zuerst die jüdischen Mitbürger gekündigt und zahlreiche der frei gewordenen Wohnungen an NSDAP-Mitglieder vermietet. Durch Bombenschäden wurde die Wohnungsnot in Wien verschärft.

Mit dem Zusammenbruch des faschistischen NS-Regimes
1945 stand Wien vor der Aufgabe, die substanziellen Zerstörungen
zu beheben und der traumatisierten Bürgerschaft
wieder eine rudimentäre Lebensinfrastruktur unter
der Prämisse des vorherrschenden Material- und Transportmangels
bereitzustellen. Die besetzte Stadt erhielt
1945 wieder eine lokale Verwaltung unter Bürgermeister
Theodor Körner (1873-1957). Der spätere Bundespräsident
gab mit seiner Enquete für den Wiederaufbau das
Startsignal für den Wiederaufbau und den erneuten Gemeindebau.
1947 wird als erste große Wohnanlage die
Per-Albin-Hansson-Siedlung gebaut, nur ein Jahr später
erfolgte der Spatenstich für Währings ersten Nachkriegsgemeindebau
in der Simonygasse 2b.
1949 hatte der Wohnbau zahlenmäßig wieder das Niveau
des „Roten Wiens“ erreicht, trotz der Mangelwirtschaft.
Es wurde der Wohnhauswiederaufbaufonds eingerichtet:
für 55.000 Wohnungssuchende rief die Stadt Wien ein
Schnellbauprogramm ins Leben. In Zuge dessen entstanden
tausende kleine sogenannte Duplex-Wohnungen.
1952 unter Bgm. Franz Jonas (1899-1974, startete das
Programm „Sozialer Städtebau“, das acht Parameter definierte:
u. a. Trennung von Wohn- und Gewerbegebieten,
Sanierung einzelner Viertel (inkl. Baulückenschlüsse),
stadträumliche Auflockerung der Wohnbereiche, Anhebung
der Mindestwohnungsgrößen von 42 auf 55 m²
sowie standardisiert getrennte Badezimmer.

Die Wohnungsgemeinnützigkeit ermöglichte ab 1954
den privilegierten Förderzugang zur Wohnbauförderung,
wodurch sich gemeinnützige Träger preisgünstiger
Wohnungen in allen Bundesländern entwickeln konnten.
So führte der, ursprünglich auf Wien konzentrierte Gemeindebau,
nun zu einer Weiterentwicklung des sozialen
Wohnbaumodels auch in anderen christlichsozial verwalteten
Ländern. Ab 1968 lag diesem dann das Wohnbauförderungsgesetz
zugrunde (Regierung Klaus), parallel
entstanden Wohnbaufonds auf Landesebene.
Simonygasse 2b (Arch. J. Horacek, J. Wurts, H. Vana,
H. Kunath; 1948-50) Nebst dem Lindenhof, aus der
Zwischenkriegszeit, wurde 1948-50, ebenfalls auf dem
Gelände des ehemaligen Czartoryskiparks, ein hufeisenförmiger
Baublock mit acht Stiegen errichtet, sowie drei
freistehende Gebäude mit zwei Stiegenhäusern. Der Gartenhof
zwischen den Häusern ist über einen Gehweg mit
der unterhalb liegenden Währinger Straße verbunden.
Die südseitigen Fassaden weisen Loggien und Balkone
auf. Bemerkenswert sind die Typologien der Eingänge,
welche sich alternierend im Hochparterre oder ebenerdig
– hier mit Vordächern - vorfinden. Das Mosaikwandbild
„Befreiung Österreichs 1945“ von Carry Hauser befindet
sich an der Fassade zum Straßenhof.

Währing 1180,Einkaufen in Währing,Geschäfte in Währing

Simonygasse 2b (Arch. J. Horacek, J. Wurts, H. Vana,
H. Kunath; 1948-50) Nebst dem Lindenhof, aus der
Zwischenkriegszeit, wurde 1948-50, ebenfalls auf dem
Gelände des ehemaligen Czartoryskiparks, ein hufeisenförmiger
Baublock mit acht Stiegen errichtet, sowie drei
freistehende Gebäude mit zwei Stiegenhäusern. Der Gartenhof
zwischen den Häusern ist über einen Gehweg mit
der unterhalb liegenden Währinger Straße verbunden.
Die südseitigen Fassaden weisen Loggien und Balkone
auf. Bemerkenswert sind die Typologien der Eingänge,
welche sich alternierend im Hochparterre oder ebenerdig
– hier mit Vordächern - vorfinden. Das Mosaikwandbild
„Befreiung Österreichs 1945“ von Carry Hauser befindet
sich an der Fassade zum Straßenhof.

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Ernst-Karl-Winter-Hof (Thimiggasse 63-69; Arch. F.
Euler, H. Thurner; 1952-53) und Czartoryskigasse 62-
68 (Arch. F. Gomsi, R. Kramreiter, K. A. Schubert, 1953-
54). Der namensgebende Soziologe und Politiker Ernst
Karl Winter (1895-1959) trat in der 1. Republik für eine
Aussöhnung zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten
ein.
Die Gemeindebauten schließen an die Entwurfstypologie
der Großwohnhausanlage der Zwischenkriegszeit an und
umfassen 186 bzw. 163 Wohnungen, welche fußläufig
miteinander verbunden sind. Das Architektenteam schuf
erstmals für sozial bedürftige Bevölkerungsgruppen die
Wohnmöglichkeit in Grünruhelage. Während in der
Czartoryskigasse 62-68 schlichte Gebäude den Rahmen
für die dominanten Hauszeichen bilden, sind beim Ernst-
Karl-Winter-Hof stärkere architektonische Akzente erkennbar:
Dort sind die Eingänge doppelt umrahmt, von
einer um sie ansteigenden Sockelzone sowie einem Rankgerüst
für Pflanzen. Die Stiegenhäuser sind durch die zu
den Wohngeschoßen versetzten Fenster erkennbar. Ein
Promenadenweg parallel zur Thimiggasse erschließt alle
Wohnhäuser, teils über Freitreppen, und verbindet die
Anlage mit jener, südliche gelegenen, in der Czartoryskigasse.
Eine ähnliche parkartige Anlage erfuhr der wenig
später errichtete Schöffelhof (Wielemanngasse 13-23,
Arch. Roland Wagner; 1956-60), der nach dem „Retter
des Wienerwaldes“ Josef Schöffel (1832-1910) benannt
wurde und in locker zueinander versetzten Gebäuden
Platz für 162 Wohnungen bietet.

Währinger Straße 165 (Arch. Ludwig Schmid; 1960)
Bei diesem Baulückenschluss unterscheiden sich die beiden
Geschäftslokale architektonisch von den darüber situierten
vier Wohngeschoßen. Unter dem ausgebauten
Dach war ursprünglich eine Wohneinheit und ein Atelier
vorgesehen. An der nordseitigen Straßenfassade sind
Nutzräumlichkeiten vorgesehen, sodass die Wohnräume
zum ruhigen Innenhof ausrichten. Wie häufig schon
in den Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit ist das
nordseitige Treppenhaus durch die Verglasung an der
Straßenfront ablesbar. Die durchbrochene Außenfassade
wird durch eine strenge Symmetrie der hofseitigen Front
kontrastiert.
Zwischen 1978 & 1981 wurden 6000 neue Gemeindewohnungen
fertig gestellt mit flexibleren, mieterfreundlicheren Anlagen.


Pablo-Neruda-Hof (Gersthofer Straße 125-129, Arch.
Helmut Schinzel, Josef Czapka; 1976-80) Die nach dem
chilenischen Literaturnobelpreisträger Neruda (1904-
1973) benannte Anlage wurde auf Teilen des Lydl’schen
Stiftungshauses (erb. 1736-39) entworfen.
Mehrere hintereinander folgende Gebäudeteile nehmen zunächst die
barocke Traufhöhe an der Straßenfront auf und steigen
schließlich zu acht Geschoßen in der Hockegasse an. In
der gestaffelten Straßenfront befinden sich zwei Geschäftslokale
und der Anna-Freud-Kindergarten sowie
ein straßenraumgliederndes „Bandornament“ von Maria
Biljan-Bilger. Zinnoberrote Brüstungen und Rahmungen
im Vorderbereich und Liftbereich, weichen gen Hockegasse
einer schlichten, weißgestrichenen Fassade mit
Loggien gen Osten und Süden.
Der neue Stadtentwicklungsplan unter Bgm. Helmut Zilk (1927-
2008), sah neben Wohnhaussanierungsmaßnahmen auch die
Aufwertung bestehender Altbauquartiere vor. Bei Neubauten
wurde Wert auf hochwertige und individuelle Architektur gelegt.

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Leitermayergasse 52 (Arch. Edith Lassmann; 1982) Die Architektin errichtete auf dem Eckgrundstück eine fünfstöckige, gestaffelte Fassade, und rezipiert den kubistischen Gemeindebaustil der Zwischenkriegszeit. Zugleich ermöglicht sie so allen straßenseitigen Wohnungen einen Blick zum Grün des Schubertparks. Zwar schließt die an die Bauflucht der Nachbarhäuser an, erweckt aber durch die Fassadensprünge eine lebhafte Auflockerung des prägnanten Baus mit übers Eck gestellten Elementen. Der dahinterliegende Gartenhof bietet Loggien und dreieckige Balkone, von denen aus der dortige Kleinkindbereich überblickt werden kann.

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Aldo-Moro-Hof (Antonigasse 41, Arch. Wilfried Fragner; 1985-86) Fragner wiederholte mit der abgeschrägten Hausecke ein architektonisches Motiv, der drei anderen, gründerzeitlichen Häusern der Kreuzung. Ein Gittermuster aus Nuten und Lisenen im Putz gliedert die hellgrüne Fassade, während sich die mehrfach zurückgesetzte Sockelzone dunkelgrün absetzt. Balkonartige, geschoßübergreifende dunkelgrüne Vorbauten bilden, zusammen mit den Mansarden im Dachgeschoß, die auffälligsten Gestaltungselemente, des nach dem christdemokratischen Politiker Aldo Moro (1978 von der terroristischen „Roten Brigade“ ermordet) benannten Baus.

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Josef-Hala-Hof (Schulgasse 19, Arch. Viktor Hufnagl, 1986-87) Der Architekt der Roßauer Brücke entwarf den bislang letzten Gemeindebau Währings: einen großzügigen H-förmigen Gebäudeplan mit fünf Etagen für 36 Wohnungen. Ein Straßenhof umschließt einen Bestandsbaum (Naturdenkmal), getrennt mittels eines viergeschossigen Mittelteils, vom größeren, rückseitigen Gartenhof. Die Fassadengestaltung unterscheidet zwischen einer grauen, genuteten Sockelzone, mit durch Säulen gestützten zurückversetzten Eingangsbereichen und den rosa-weiß changierenden Wohnetagen, gegliedert durch grün umrahmte französische Fenster und Erkergruppen.

Durch den Fall des Eisernen Vorhangs kam es wieder zu verstärkter Zuwanderung, die den sozialen Wohnbau neuerlich ankurbelte. Vor nun etwa 20 Jahren begann man sich mit der Weiterentwicklung der Bausysteme zu beschäftigen und seit dem 21. Jhdt. werden Systeme wie Abwasser aus Heißwasserquellen in Oberlaa, Brauchwassernutzung, Photovoltaik und Abwärme-Rückgewinnung entwickelt. Neue Wohnhausanlagen müssen jetzt mit Fernwärme ausgestattet werden. Seit 2020 in Wien werden auch Fassadenbegrünungen vorgenommen.

2019 feierte die Stadt Wien 100 Jahre Geschichte des sozialen Wohnbaus.
Heute verwaltet die Stadt Wien mehr als 220.000 Wohnungen mit rund 500.000 MieterInnen und ist somit die größte soziale Hausverwaltung, zumindest in Europa. Es wurde mit
diesem sozialen Wohnbauprojekt 1919 ein weltweit einzigartiges Konzept ins Leben gerufen, das immer wieder internationales Publikum anzieht.

Maximilian-Paul Hertz, MArch. & Ingrid Jung-Blaha

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